Samstag, 23. Juli 2011

Noch immer in Kladovo (Кладово)

Das Wetter hier ist abwechslungsreicher geworden. Ausser den kurzen heftigen Gewittern habe ich auch schon einen heftigen Wolkenbruch erlebt, der eine ziemlich Abkühlung eingeleitet hat - es hat jetzt keine 30° mehr. Diese Wettereignisse und der immer wieder heftige Wind locken mich nicht auf die Donau. Beim Wind handelt es sich übrigens nicht immer um Koschowa, dieser bläst vornehmlich im Winter und immer aus Osten. Womit wir jetzt konfrontiert sind ist ein Gornjak (="von oben") - wieder vom Osten ausgelöst, wo hohe Luftströmungen auf die Berge des Eisernen Tors treffen, die Richtung ändern, beschleunigt werden und scharf "von oben" daherblasen. Wildes Mikroklima in diesem Gebiet, die Wellen die auf der hier ca. 1,5km breiten und im Schnitt 5.500 m³/sec (Wien: ca. 1.800 m³/sec) befördernden Donau entstehen, können sehr beeindruckend/-ängstigend sein.


Woher ich das alles weiß? Von Stevan Stanojlovic, einem Tourismusexperten und sehr gebildetem Mann, der mit seiner Frau das Café Natura direkt am Donauufer betreibt. Ich habe kein Wissensgebiet gefunden, in dem er nicht bewandert ist. Er erzählt mir viel über den Fischfang in dieser Gegend, vor dem Kraftwerksbau hat er hier 250kg schwere Hausen gefangen. Ein sehr angenehmer Ort, das Café, frequentiert von unterschiedlichsten Menschen, von denen ich viele kennenlernen darf, und viel über die Situation in Serbien jetzt, in den Jahren des Krieges und davor erfahre.


Das Natura war immer ein Platz für Freigeister, vor allem in den Zeiten der Regierung Slobodan Miloševićs war das Natura als "Nest" von der Staatsmacht nicht gerne gesehen. Dort kehre ich jeden Abend ein. Stevan ist mehrsprachig, stellt mich immer wieder anderen Menschen vor, die Unterhaltungen werden immer in der Sprache geführt, die alle am Tisch halbwegs verstehen. Viele angenehme Diskussionen entstehen, beeindruckend ist die Vielzahl an Meinungen. Ich bekomme einen guten Einblick in die vielen politischen Strömungen Serbiens. Gegenüber des Natura wird in einer rumänischen Werft ein großes Seeschiff gebaut.


Stevan lädt mich zu einen Ausflug per Auto zu den Resten der Trajansbrücke ein. Ein unglaubliches Bauwerk für diese Zeit (wurde zwischen 103 und 105 n.Chr. erbaut). Diese Brücke hatte eine Spannweite von ca. 1,2km und war für ein Jahrtausend die größte Brücke der Welt. Auf der rumänischen Seite steht noch ein Brückenpfeiler und auch unter dem Wasserspiegel sind noch viele Teile der Brücke erhalten.


Von diesem Platz aus ist eine Donauinsel zu sehen: Șimian. Wir fahren in eine Freizeiteinrichtung des Kraftwerks Đerdap um eine bessere Aussicht auf Șimian zu haben, viel ist trotzdem nicht zu erkennen. Hier wurden Teile der versunkenen Insel Ada Kaleh wiederaufgebaut.


Ada Kaleh ist mir zum ersten mal in einem alten Donaureiseführer der DDSG untergekommen. Es war eines der Highlights jeder Donaukreuzfahrt - ein Stück Orient, weit in den Westen gerückt. Ein beliebtes Ausflugsziel in eine andere Welt. Beim Kraftwerksbau im Eisernen Tor wurde die Insel überschwemmt, sie liegt jetzt am Grund des Stausees bei Orșova. Die Wiederaufbaupläne dürften eingeschlafen sein. Es gibt keinerlei Tourismus auf/zur Insel Șimian, weder von rumänischer (Șimian ist rumänisches Staatsgebiet, so wie Ada Kaleh es seit 1923 war) noch von serbischer Seite. Die ehemalige Bevölkerung von Ada Kaleh ist, nach der Überschwemmung, zum größten Teil in die Türkei übersiedelt.


Seit gestern findet das Etno festival statt. Viele Standeln, die lokale Köstlichkeiten wie Schnaps und Honig feilbieten. Die Limonaden in den bizarrsten Farben muss ich alle kosten. Unter Tags gehört die große Bühne vor dem gerade noch rechtzeitig fertig gewordenen Kreisverkehr incl. Springbrunnen im Stadtzentrum Volkstanz- und -musikgruppen. Sehr ansprechend, wunderschöne Trachten und fetzige Musik, die die Tänzer zeitweise wild herumwirbeln lässt. Gegen Abend wirds poppiger - nicht so meins, ich gehe auf ein paar Špricer ins Natura - ich glaub, ich werd/bin alt.

1 Kommentar:

  1. Hallo Robert,
    So ist das, wenn man sich Zeit nimmt. So kommen einem die Begegnungen zugeflogen und man kann jeden Tag was lernen. Aber das. It den 250 kg schweren Hausen... wenn so eine Geschichte von einem Fischer zum Nächsten erzählt wird, wird er naturgemäß immer schwerer!
    Es ist uns eine Ehre, mit dir im Kaffee Natura gewesen zu sein und wir können es besttigen, Stevan ist wirklich ein sehr interessanter Mensch.
    Beim Kreisverkehr muss ein Wunder passiert sein, oder habt ihr alle zusammen eine Nachtschicht eingelegt?
    Wir wünschen dir noch viele bunte Saftkostproben und immer eine Handbreit ....
    Liebe Grüße von den Donaupilgern.

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