Freitag, 8. Juli 2011

Stromkilometer 790 RU Widin (Видин)

(Ein bisserl viel) Bier trinken, in der Bucht von Brza Palanka schwimmen gehen und ein Nachmittagsschlaferl im Schatten eines Baumes am Strand war die richtige Entscheidung. Am Abend noch einen Riesentopf Fischsuppe und ein paar Špricer - ich bezahl das Zimmer und nehme mir vor abzufahren, wurscht wie's weht.

Beim Frühstück fällt mir auf: irgendwas ist anders. Die Bäume stehen schief wie gestern, aber so weit ich mich auch von der Terrasse entferne: es ist kein Wind zu spüren. Die Bäume sind hier einfach immer schief, der Wind dürfte hier sehr oft, und immer aus der gleichen Richtung wehen, so etwas prägt die Flora. Skeptisch fahre ich aus der Bucht und bin baff. Spiegelglatt liegt die Donau da.


Unwirklich. Ich hab fast ein schlechtes Gewissen mit der Luzilla durch dieses Bild zu pflügen. Und so bleibt es. Den ganzen Tag. Wie wenn die Donau überhaupt nicht in der Lage dazu wäre, Wellen zu formen.


Eine Staustufe gilt es noch zu bewältigen - Đerdap II, nicht so spektakulär wie Đerdap I, man fällt nur um 8m, Platz in der Schleusenkammer gibt's aber wieder haufig: 310x34m. Wieder ein Rumänisch/Serbisches Gemeinschaftsprojekt, es gibt Schleusen auf beiden Seiten, keine wartenden Schiffe, ich probiere wieder die serbische, rechte Seite. Gleiche Zufahrt, nur diesmal tut sich nix nach Einfahrt in den geschützten Bereich neben der Kammer - wie ausgestorben liegt das riesige Bauwerk da. Eine Gruppe von Arbeitern kann ich durch lautes Rufen auf mich aufmerksam machen - sie deuten dass ich vor die Schleusenkammer fahren soll, da man mich dort besser sieht. Das mache ich, und schon kommt jemand zu mir. Er spricht ausgezeichnet Englisch und bedauert, dass er mich nicht alleine schleusen kann. Ich werde ca. 1 1/2 Stunden warten müssen, dann kommen andere Schiffe, und dann kann ich mit. Er bietet auch an, wieder in das Becken neben der Schleusenkammer zu fahren um dort zu verheften, die Wartezeit in der prallen Sonne zu verbringen sei keine gute Idee - recht hat er. Er hilft mir mein Boot anzuhängen und nimmt mich mit ins Kontrollgebäude, er ist der technische Leiter der Schleuse und ich darf in seinem Chefbüro Platz nehmen.

2 superangenehme Stunden folgen. Wir zeigen uns gegenseitig Urlaubsfotos auf seinem Computer, er erklärt mir die Spezifikationen und Besonderheiten seiner Schleuse, erzählt (von Fotos begleitet) von einer Exkursion zu einer sehr großen russischen Schleuse, wir wandern per Google Earth durch unsere Heimatstädte - ich könnte noch viel länger mit ihm beisammensitzen, so ein angenehmer Mensch. Er gibt mir seine private Handynummer - ich soll an einem Werktag zu Berg schleusen, da kann er mir wieder helfen - und bemängelt meine Schickimiki-Sonnenbrillen, der Aufenthalt unter der Sonne am Wasser sei gefährlich und schenkt mir UV-Schutzbrillen, die er und seine Arbeiter für die Arbeit im Freien verwenden. Mein modisches Klumpert wird für den Rest der Reise ganz nach unten in meine Reisetasche wandern. Per Funk bekommen wir die Meldung, dass die Schleuse jetzt vorbereitet ist, ich soll ganz vorne im Schatten verheften, es werden 3 Passagierschiffe mit mir schleusen, das dauert.


Mein neuer Freund hat bei den Passagierschiffen zu tun, schaut immer wieder auf ein Tratscherl bei mir vorbei, und übergibt mir noch ein Plastiksackerl - drinnen: eine Flasche feinster russischer Wodka - ich weiss nicht, wie ich mich auf der Rückreise revanchieren soll, irgendwas muss mir da einfallen! Neben mir kommt die TUI Melodia zu stehen - in vielen Urlaubsfotoalben von deutschen Pensionisten wird sich das Bild eines rundlichen österreichischen Zillenfahrers mit Strohhut und ursuperen UV-Schutzbrillen finden - die Beigen drängen sich an der Reling um gute Aufnahmen von Austrias Next Topmodel zu ergattern.


Und hinter mir kommt - NEIN! - die Nestroy, ein ziemlich hässliches Passagierschiff unter schweizer Flagge. Die hat heuer die große Zille, die als Radfähre nach Haslau dient, samt Bootshaus in Orth/Donau "weggeräumt", und der Kapitän hat noch dazu Fahrerflucht begangen - sehr sympathisch, und auch sehr schlau mit einem Fahrzeug, dessen Wege sekunden- und metergenau nachvollzogen werden können. Sie hält schönen Sicherheisabstand ist aber doch so nah, um mich mit volkstümlichem Humtata zu beschallen.

Ich fahre als erster aus der Schleuse, gleich kommt Prahovo, die letzte Grenzstation in Serbien, dort muss ich ausklarieren. Ich verhefte hinter einem ausrangierten Frachtschiff, ein älterer Herr hilft mir dabei. Ich klopfe an die Tür der Grenzstation, eine bezaubernde junge Polizistin öffnet und strahlt mich an. Ich strahle zurück, leider keine Kommunikation möglich, meine Serbischkenntnisse sind immer noch sehr eingeschränkt. Viel Arbeit für sie, mein Ausklarieren - unzählige Formulare sind auszufüllen, abzustempeln, abzuheften. Für mich ist diesmal nix zu tun, außer 4x zu unterschreiben. Wir verabschieden uns, der ätere Herr hilft mir beim Losmachen, ein paar Kilometer weiter wechsle ich (ein bisserl widerwillig) die serbische gegen die bulgarische Gastlandflagge. Serbien war für mich ein Lehrstück in Freundlichkeit und Gastfreundschaft. Ich hoffe dass ich viel vom Umgang miteinander dauerhaft von den Serben erlernt habe und empfehle jedem auch 1x so ein Freundlichkeitsseminar.


Die Umgebung wird wieder sehr flach. Auf beiden Seiten der Donau sind immer wieder Strandbäder, von denen auf der rumänischen Seite hört man immer eine Art volkstümlichen Techno, oder so, laut und eintönig, wer's mag... Tiere am Ufer, am Anfang der Reise noch bewundert, werden zum Standard. Sind ja auch nicht blöd, die Schafe, Pferde und Kühe, bei der Hitz würd ich auch den ganzen Tag die Füße in die Donau halten. Bulgarien und Rumänien bauen eine 2. Donaubrücke. Kurz vor Widin wird intensiv und imposant gebaut. Derzeit verbindet nur die Brücke der Freundschaft Russe mit Giurgiu. Nur eine Brücke auf 472 Kilometern bulgarischem Donauufer.


Bei der Ankunft in Widin verhefte ich am Polizeiponton. Ein Grenzer pfeift mir, und ruft mir zu, mit meinem Pass und anderen Papieren zu ihm zu kommen. Er fragt mich, ob ich lieber auf Deutsch oder Englisch sprechen mag. Sein erster Satz, nach meiner Antwort "Deutsch", ist: "Sie sind in Bulgarien, wenn sie hier bleiben wollen müssen Sie ein Buch schreiben!" Ich grinse ihn an, er gibt mir das "Buch", ein ziemlich dickes Heft, das ich ausfüllen soll. Die Dicke ergibt sich durch die unzähligen Durchschläge - nur auf der ersten Seite muss ich wieder Angaben zu meiner Person und zum Boot machen. Zum Zoll muss ich auch noch, die Zöllnerin klärt mich auf, dass ich dieses Buch bei jeder Ausreise aus Bulgarien bei einer Zollstation vorweisen und abstempeln lassen muss - schade, ja, ich bin zwar wieder in der EU, aber nicht im Schengen-Raum, die Grenze zwischen Bulgarien und Rumänien ist wirklich noch eine Grenze. Sie klärt mich auch auf, dass ich ein Jahr bleiben darf, und in diesem Jahr an jedem Polizeiponton Bulgariens verheften darf. Sie spricht ausgezeichnet Englisch und ich frage sie nach einem Tipp für ein Hotel. Gleich ums Eck sei ein gutes, dort geh ich hin, es ist das Hotel Dunav (welches sonst?) - perfekt. Noch einen gebratenen Wels und Wein und Wasser in einem schwimmenden Restaurant und ein bisserl im Park neben der Donau flanieren - ich schwebe! Als Fremdsprachennackerpatzl freut mich, dass ich wenigstens die kyrillischen Buchstaben schon halbwegs intus habe. Buchstabenaneinanderreihungen wie Солети und Шардоне ergeben plötzlich Sinn.

3 Kommentare:

  1. ohje, hätt ich lieber rauhen wind und wasser wünschen sollen, damit du länger serbische gastfreundschaft genießen kannst?
    aber irgendwie hege ich den verdacht, dass die kleine nußschale mit strohbehutetem zillenfahrer auch weiterhin ganz gut ankommen wird. und wenn nicht, reicht der serbisch-russische wodka ja vielleicht, bis die zeiten wieder besser werden ;)

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  2. ...:-)
    Du beschreibst sehr schön die Situationen an der Donau, mein Junge...:-)
    Danke dir dafür

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    1. ups, das klingt ja recht anonym.
      Also: Bernhard aus Romanistan, aber auch aus Österreich
      https://rennkuckuck.de/php/reisen/Isaccea_2006.php?Druck=ja

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